Geschichte

ÜBER DIE ENTSTEHUNG DES GLASDORFES

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers“

Gustav Mahler

Freibauern und geadelte Glasmacher

Im 15. Jahrhundert ist in Europa entscheidendes passiert: Gutenberg hat den Buchdruck erfunden, Kolumbus hat Amerika entdeckt und das Glashandwerk erlebte seine Renaissance. Auch wir Weinfurtners entdeckten etwas besonderes: Unsere Liebe zum Glashandwerk. Der mütterliche Familienzweig der “Multerers” stammt aus St. Katharina im Böhmerwald. Dort – 25 Kilometer von Arnbruck – fertigten die Vorfahren bereits um das Jahr 1500 „Auf der Hüttn“ kostbares Glas und siegelten es mit einem sinnigen Glassymbol – Der „Kelch umrahmt von sechs Sternen“ steht für die sechs Kinder und zeigt wie wichtig das nachhaltige, generationenübergreifende Denken war.

1637 kauften die Gerl, Ahnen der Großmutter Maria, die 1541 erstmals beurkundete bayerische Glashütte Obergrafenried bei Waldmünchen/Opf. Kurfürst Maximilian I. von Bayern bestätigte ihnen die „Landsassenschaft“ und ließ dem tüchtigen Glashüttenmeister im fünften Stamm, Georg Gerl von Grafenried, ob seiner außerordentlichen Verdienste um die Volkswirtschaft 1644 den Adelsbrief zuteil werden.

Vom Waisenkind zum Waldbauern

Oskar Weinfurtner senior (18.11.1927 – 26.12.2015) hat viel Leben in die Welt gebracht: Als Großvater sieben Enkel und als Unternehmer das Glasdorf.

Gebürtig stammt er aus dem „Gasthof zur Post“ in Bodenmais als Nachzögling der Wirts-Familie. Mit 5 Jahren wurde er Vollwaise und ging als 14-Jähriger für eine Lehre als Speditionskaufmann “in die große Stadt” nach Regensburg.

Nachdem er ganz unverhofft mit 21 Jahren als Alleinerbe im Testament seines Onkels Josef Sturm, einem unverheirateten, kinderlosen und arg verschuldeten Waldbauern stand, ging er nach Arnbruck. Zwar musste er anfangs noch im Getreidekasten schlafen, für Betten hatte das Geld nicht gereicht, aber dafür konnte er selbstbestimmt einen eigenen Betrieb weiterentwickeln. “Wir sind nur Verwalter auf Zeit” war dabei das Credo, von dem er sich leiten ließ.

Oskar und Maria Weinfurtner

„In Arnbruck möchte ich nicht mal gestorben sein“. Das war Maria Multerers (17.07.1930 – 19.06.2021) erster Eindruck von Arnbruck. Wir schreiben das Jahr 1950, als sie zur Hochzeit ihrer Cousine – und Oskars Nachbarin – erstmal ins Zellertal kam. Dass aus Maria Multerer 2 Jahre später Maria Weinfurtner wurde zeigt, dass man sich auf einen ersten Eindruck nicht unbedingt verlassen muss. Mit viel Schweiß und Hirnschmalz bewirtschafteten die Beiden die Hofstelle, unterstützt von Marias Familie, die nach dem Krieg vertrieben wurde.

Erst mit 40 Jahren machte Oskar neben der Landwirtschaft mit Fremdenzimmern – als erstes Haus mit fließendem Wasser auf den Zimmern ein absoluter Renner – eine Lehre zum Glasschleifer. Den Sommerfrischlern auf dem Hof schliff der Hausherr aus alten Bierflaschen einfache Blumenvasen. Die Begeisterung für die veredelten Flaschen und vor allem für das später folgende funkelnde Bleikristall ermutigte ihn die Glastradition wieder aufzunehmen.

Vom Stall in die Schleiferei

Im Jahr der Mondlandung – 1969 – war es dann soweit: Auf einem Anger am Rande des Dorfes baute der Firmengründer mit seiner Familie und einem Trupp Handwerker eine Glasschleiferei. Der Kredit reichte gerade für das Erdgeschoss und so entstand ein Grundsatz unserer Firmenphilosophie „organisches Wachstum“ aus der Not heraus. Zwei Jahre später war ein Mieter für die oberen beiden Stockwerke des Stammhauses gefunden – eine Lederschneiderei – womit auch der Rest finanziert und gebaut werden konnte. 

Bleikristall und Kronleuchter

Die beiden Söhne von Maria und Oskar sen. – Oskar (geb. 1953) und Richard (geb. 1956) – waren seit der ersten Stunde die engsten Mitstreiter für das Unternehmen. Noch am Heilig Abend hatten damals die beiden Teenager mit ihrem Vater den Estrich in die Schleiferei gegossen.

Während der ältere Oskar das Internat besuchen durfte und anschließend aus München mit einem Dipl-Ing zurückkam, war der jüngere Richard der erste Lehrling in der Schleiferei. Richard erarbeitete dem Familienunternehmen einen Namen, indem er als Bundessieger der Glasschleifer in der Handwerksszene bekannt wurde.

Oskar stieg nach seinem Ingenieursstudium in den väterlichen Betrieb ein und erweiterte das Angebot. Beispielsweise durch Kristall-Lüster aus eigener Produktion und Ausstellungen bekannter Porzellanmanufakturen, z. B. Meissener Porzellan. Nach der Glasschleiferei, kam bald die Glasgravur und der erste Glasofen, heute das Herz unserer Manufakturen.

Jedes Jahr eine kleine Baustelle, in dem Ausmaß wie man sie sich eben leisten kann und was man spürt, dass die Gäste brauchen und wollen. Und so wurde aus “Weinfurtner Bleikristall” Jahr für Jahr “Weinfurtner DAS GLASDORF”.

„Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht“

Theodor Heuß